28. Oktober 2009

Kohl war’s – Die Ripuarier schlagen zurück

Ab und an bin ich Darth Vader. In der Welt meiner Schwiegermutter. Das personifizierte Schlechte sozusagen. Bösartig. Und das kommt so: Angenommen sie ruft an. Natürlich wissen Du und ich, dass sie anruft. Oft. Das Gespräch beginnt sie in neundunneunzig einhundert Prozent aller Fälle mit der Frage: “Was machen die Kinder?” Sie fragt das nicht in deutscher Sprache. Auch nicht italienisch. Sie spricht breitestes neapoletanisch.

“Ke fanne’ e kreature?” (Was machen die Kinder?) und danach: “Ke stai kuschenene?” (Was kochst Du?) Anfangs – also vor mehr als zwei Jahrzehnten – hatte ich große Schwierigkeiten sie zu verstehen. Ach was. Ich verstand gar nichts, weil mir der Dialekt fremd war. Aber ich war ein braves Mädchen, gefolgsam und gelehrig und bemühte mich. Mittlerweile kann ich sogar neapoletanisch sprechen. Wenn ich hochgestochen Italienisch rede, guckt sie mich nämlich immer komisch an. Antworte ich auf Deutsch, verweigert sie oft die Antwort. Jedoch…ab und an, da reitet mich irgendwas und ich antworte ripuarisch, obwohl ich ja keine echte Ripuarierin bin, sondern nur eine “Nojemaate” (Nachgemachte). Bevor Du jetzt googelst: Ripuarisch ist nichts anderes als ordinäre rheinische Mundart. Es gibt sogar ein ripuarisches Wikipedia.

Also…wir spulen kurz zurück. Sie fragt: “Ke stai kuschenene?”  Darauf sage ich scheinheilig: “Wersingschaffu met irdääpel dörschenanger.” Sie versteht das natürlich nicht. Also sage ich: “Endopp met Kappeswoosch”. Ich komme mir echt böse vor, wie Darth Vader. Am liebsten würde ich – schwer atmend - in den Hörer röcheln: “Komm auf die dunkle Seite, Maria…..”, wie der Lord of Sith. Ich lasse es jedoch, weil ich meistens schrecklich lachen muss, wenn sie mich beschimpft (auf neapoletanisch natürlich).

OK. Was koche ich? Weißt Du, was Schaffu-Endopp met Kappeswoosch ist? Nicht? Dann guck mal hier:

Wirsinggemüse mit Kohlwurst 001Das Grüne oben, das ist der “Wersingschaffu” (Wirsingkohl), links unten siehst Du die “Kappeswoosch” (Kohlwurst). Die “Irdääpel” findest Du nun von selbst. Daraus koche ich den “Endopp” (Eintopf). Hier im Rheinland wird viel “untereinander” oder “durcheinander” gekocht.

Zutaten – sind eigentlich nicht weiter erwähnenswert:

  • 1 Wirsing, zerteilen und schneiden
  • einige Kartoffeln (bei mir Stürzelberger aus der Region) gewürfelt
  • Kohlwürste von meinem Lieblingsmetzger
  • 1 Karotte, kleingeschnitten
  • 1 Zwiebel, auch
  • Butterschmalz
  • etwas Kümmel
  • wenig Salz, Pfeffer, Wacholderbeeren

Wirsinggemüse mit Kohlwurst 006 Wirsinggemüse mit Kohlwurst 021

Naja. Butterschmalz erhitzen, Karotte und Zwiebeln dazugeben. Alle anderen Zutaten auch. Mit wenig Brühe angießen, Kohlwürste obendrauf legen. Dann, nix weiter. Deckel auf den Topf und langsam vor sich hin köcheln lassen, bis alles schön weich ist.

Wirsinggemüse mit Kohlwurst 030Datt is ewwer jood, wenn ett drusse kalt wööd…. und, ähm…beim nächsten Anruf, ich schwöre es…da sage ich: “Ich bin Dein Vater, Luke Maria”…….

Herrlich banales Gericht, oder? Ich liebe sowas. Für mich ist Essen nämlich ein Fenster in die Vergangenheit. Völlig unabgehoben. Altbewährt. (Verstehe das, wer wolle. Und wer sich angesprochen fühlt).

27. Oktober 2009

Tarallucci napoletani - Mengenangaben nach Schwiegermutter Art (die Mengenangaben…)

So. Schluss mit der Schluderei hier im Blog. Melde mich gehorsam zurück.

Tarallucci 088

Meine Schwiegermutter konnte uns 12 Tage lang nicht halbstündlich anrufen. Nach Österreich via Handy hätte das jedes Budget gesprengt, zumal der Begriff “sich kurz fassen” nicht ihrem Naturell entspricht. Schön war’s da. Geschneit hat es tagelang, und da wir vom platten Niederrhein sowas nicht gewohnt sind, waren die weißen Massen für uns quasi gigantisch, was den Einheimischen lediglich ein müdes Grinsen entlockte.

Dabei war Österreich ja eher eine Notlösung. Das wir in den Herbstferien Urlaub machen wollten, stand schon länger fest.  Genau genommen machen wir immer in den Herbstferien Urlaub. Und immer buchen wir erst ein Woche vorher. Oder noch später. Darüber streiten der Herr Peppinello und ich dann. Er mag sich nämlich nicht “Jahrzehnte vorher festlegen” (Zitat). Und außerdem will er nach Italien. Mit dem Auto. Mit den Kindern. 2000 Kilometer. Nein. Ich kriege rote Flecken am Hals, wenn ich nur an die Elendsfahrt denke. “Lass’ uns doch fliegen,” werfe ich ein. Nein. Mit dem Flieger kann man nichts mitbringen. Keine Lebensmittel. Tonnenweise. Aus Italien. Denn hier gibt es ja nichts… Nach weiteren Tagen mit ewigen Streitereien ist dann Funkstille. “Buch doch was last-minute. In die Sonne. Mit den Kindern”, sagt er. Und ich schreie: “Es gibt nichts mehr!! Du kannst vor oder nach den Ferien buchen. Oder via Brüssel nach Ägypten fliegen. Ins Doppelzimmer mit 2 Zustellbetten. Für Fünftausend Euro 9 Tage.” Er glaubt nicht, daß man mit schulpflichtigen Kindern ein Jahr im Voraus buchen muss. Mindestens. Er schlägt am Ende sogar Antalya oder Bodrum vor. Aber da will ich nicht hin. Und auch da gibt es nichts. Außerdem bin ich wieder hysterisch. Sagt er. Irgendwann ist Familie A. zu Gast in unserem Lädchen. Sie sprechen über dieses Hotel in Oberösterreich, und als wir die Homepage desselbigen anschauen, sind sich alle einig: Da fahren wir hin. Für alle ist gesorgt. Ich nehme in 11 Tagen 3 Kilo zu. Der Herr Peppinello auch. Mindestens. Vorher streiten wir noch einige Male über das Kofferpacken. Ich drohe (wie jedes Mal) damit, dass er alleine packen muss, und das möchte ich dann mal sehen, und er weiß ja noch nicht mal wo seine Sachen im Schrank sind. Auch das ist mittlerweile Schnee von gestern. Wir sind gut erholt zurück.

Zurück daheim. Wo das Telefon ständig bimmelt. Nonna auf Entzug. Vor dem Urlaub hat sie Taralli für uns gebacken, und die will ich jetzt auch mal machen. Bisher habe ich die immer fertig gekauft, oder von ihr bekommen. Sie erzählt, dass in Neapel dieses Gebäck früher auf der Straße verkauft wurde, und zwar von einem “venditore ambulante” (fahrender Händler), nämlich dem “Tarallaro”. Heute werden die Tarallucci am liebsten in der Vorweihnachtszeit zu einem Glas Wein gegessen.

Tarallaro

Die Taralli wurden damals vom Fornaio” (Brotbäcker) aus den Resten des Brotteiges hergestellt. Günstig in der Herstellung, erschwinglich für das ärmere Volk. Der fahrender Händler packte sie, in Decken zum Decken zum Warmhalten gehüllt, in große Körbe und bot sie in den Portoni feil. Ich frage also nach den

Zutaten, und sie sagt (und ich denke):

  • 1 kg Mehl 00
  • 1 Würfel Frischhefe (kommt mir viel vor)
  • 1 Glas Olivenöl (wie groß muss das Glas sein?)
  • 1 Glas Weißwein (dito)
  • 1 Glas Wasser (dito)
  • Salz (nach Gefühl)
  • schwarzer Pfeffer (auch)
  • Fenchelsamen oder Peperoncino oder geschälte Mandeln (in unserem Fall Fenchelsamen, 3 Teelöffel)

Ich greife nun vor und korrigiere die Mengenangaben: von allen Flüssigkeiten zunächst 125 ml, wenn das nicht reicht etwas nachgießen. Nach Gefühl eben, oder : “Secondo come ti pare, poi lo vedi, no?” (Alles nach Gefühl, Du merkst das dann….)

Tarallucci 064 Tarallucci 075

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Die Kitchen-Aid vermischt alle Zutaten, und knetet vor. Dann nehme ich den Teig aus der Schüssel und walke von Hand weiter. Er ist natürlich zu trocken, ich gebe ein wenig Wasser hinzu. Und etwas Öl. Irgendwann ist er recht passabel. Er ruht abgedeckt für 1 Stunde. ich denke in der Zwischenzeit darüber nach, das 1 Würfel Hefe recht viel ist, und die Gehzeit recht kurz. Es geht aber…

Das Telefon klingelt, als ich beginne, den Teig zu verarbeiten. Ich spiele taubstumm. Vom Teig nehme ich kleinere Stücke ab und rolle sie mit der Hand in ungefähr 10 cm lange Stränge. Nicht zu dick. Dann gebe ich ihnen die Form, die Du oben auf den Bildern siehst. Aber.Bloß nicht zu dick, sie gehen im Ofen nochmal mächtig auf. A propos Ofen: Den heize ich auf 180 – 200 Grad vor. Die Teigringe kommen auf ein mit Backpapier auselegtes Blech, und backen ca. eine halbe Stunde oder: “Finche si fanno dorati e croccanti, poi vedi, no?” (Bis sie goldgelb sind, und knusprig sind. Alles nach Gefühl, das siehst Du dann…)

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Der kleine Peppinello kommt zwischenzeitlich aus der Schule (jaja, er ist jetzt ein Schulkind), schnuppert in der Diele und fragt: “Ist die Oma hier? Hier riecht es so. Was ist das? Brot?”, läuft in die Küche, späht durch die Backofentür und ruft .”Jippieh…die esse ich alle alleine!” Würde ich ihn lassen, er täte es.

P.S.: So sah es aus in Österreich, schön gell? 

Tarallucci 013

P.P.S.: Guck mal hier. Das ist ein Tarallaro…als Krippenfigur…Kitsch as Kitsch can.

20. Oktober 2009

Der Herr Peppinello in eigener Sache – Mythos oder Wahrheit….

Da bin ich wieder. Heute koche ich nicht, ich bin nämlich gar nicht zu hause. Darüber aber später mehr. Ich will erst mal was anderes erzählen.

Es ist so ungefähr 8 Wochen her, da bekamen die Peppinellis Besuch von Fremden. Also von Menschen die wir nicht kannten, und sie uns nur aus diesem Blog. (Gruß an dieser Stelle an Herrn und Frau K., ich hoffe ihr seid wohlauf, und immer noch so frischverliebt.)

Bevor Herr und Frau K. von weiter her anreisen, stelle ich daheim Verhaltensmaßregeln auf. Für alle Familienmitglieder. Jeder Satz beginnt mit erhobenem Zeigefinger und endet mit : “Benimm’ Dich.” Und das tun sie auch. Insbesondere der Herr Peppinello. Er ist so amüsant wie ein Paket Zwieback.

Nach dem Essen (bei welchem ich die Gänge viel zu hektisch, und viel zu schnell serviere), trinken wir das eine und andere Glas Wein. Der Herr Peppinello bringt uns den Espresso auf die Terrasse. Als er einen Moment nicht mit uns am Tisch sitzt, da sagt die Frau K.: “Den habe ich mir ganz, ganz anders vorgestellt.” Sie betont hierbei das “den”. Ich ahne, was sie meint, frage aber trotzdem: “Echt? Wie denn?” Und sie antwortet: “Groß und dick, und mit Schnauzbart.”

Aha. So wie den unsäglichen Sante de Santis, den ich so zum Kotzen finde……

Ich grinse, und füge in Gedanken noch ein weißes Rippenunterhemd hinzu, eine behaarte Brust und die obligatorische Halskette mit Kruzifix und Madonnen-Plakette hinzu. Einige Goldarmbänder wären auch nicht schlecht…aber: Nein.

So sieht der Herr Peppinello nicht aus. Er hat äußerlich auch keinerlei Ähnlichkeit mit Paulie Gualtieri, oder irgendeinem von den Sopranos. Was ich dem Herrn Peppienllo nicht absprechen möchte, ist die Weltanschauung, welche er mit allen vorgenannten Typen gemeinsam hat. Ein Soprano im Geiste sozusagen. Nur heimtückischer. Er wirkt nämlich auf den ersten Blick nicht so. Mit dieser Masche hat er mich damals ….vor zig zig Jahren…nämlich eingelullt und rumgekriegt. Im Laufe der Zeit offenbarte er mir sein wahres Ich……

collage

Dieses “Wahre Ich” ist zu Zeit mit mir und den kleinen Peppinellis im Urlaub. In Österreich. In einem Wellness-Hotel. Der Streit fing nicht beim Kofferpacken an. Nein. Schon 2 Wochen davor. Ach was. Schon vor der Buchung.

Da hier abends nix los ist, kann ich endlich mal wieder Deine Rezepte lesen. Und Dir was erzählen. Über Österreich und den Herrn Peppinello…und sein wahres ich…..