24. November 2009

Coda alla vaccinara – Das fünfte Viertel

Ich bin in Deutschland aufgewachsen. Als Kind kannte ich den Ochsenschwanz nur als Suppe, wahlweise gebunden oder klar. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was mir entging.

La Coda, also den Ochsenschwanz, bezeichneten die Metzger in Rom früher als "qiunto quarto” (fünftes Viertel). Wie auch die Trippa zählte er zu den “avanzi”. Unverkäufliche Reste, die kein Kunde haben wollte. Darum aßen sie den Ochsenschwanz meist selbst, und dachten damals wahrscheinlich nicht darüber nach, dass sie so eines der berühmtesten Gerichte der römischen Küche auf den Weg brachten: La coda alla vaccinara.

Die Coda muss ich beim Metzger vorbestellen, denn hier im Rheinland ist Ochsenschwanz irgendwie nicht soooo gut verkäuflich, keine Ahnung wieso. Gesagt getan, und ran an den Herd.

Zutaten für 4 Peppinellis:

  • 1,5 kg Ochsenschwanz
  • 200g Guanciale (oder Lardo)
  • 1 gewürfelte Zwiebel
  • 2 Knoblauchzehen
  • einige Gewürznelken
  • Salz und Pfeffer
  • 1/4 l Weißwein
  • Olivenöl zum Anbraten
  • 3 kleine Dosen Pelati (bei uns pomodorini Coppola)
  • 500g Sellerie, kleingeschnitten
  • Riagtoni  (Nr. 24 von De Cecco)

037 044

Ja. Natürlich muss ich mich schon beim Kleinschneiden des Guanciale (umbrische Schweinebacke), beherrschen nicht jedes zweite Würfelchen in meinem Mund verschwinden zu lassen.

Und: Ja, natürlich hat der Metzger mit gefragt, ob er mir den Ochsenschwanz hacken soll. Was habe ich großspurig geantwortet? “Nö, mach ich selbst.”  Ich weiß selbst nicht, warum ich manchmal so dermaßen blöd bin. Zuhause erweist sich der ochsenschwanz nämlich als äußerst widerspenstig. Ich hantiere mit verschiedenen Messern herum, taste das Teil ab, bewege die einzelnen Glieder. es klappt nur teilweise. Schließlich laufe ich nach unten ( = Herrn Peppinello`s Küche im Lädchen) und hole mir ein großes Hackbeil…..Mit Gewalt geht alles…

055 057

Schließlich brate ich das Fleisch mit den Schweinebackenwürfeln (was für ein Wort!!!) von allen Seiten schön kross und gebe dann die Zwiebel und die Nelken hinzu. Die aufsteigenden Düfte machen mich fast ohnmächtig. Ich esse weitere Würfelchen vom Guanciale, direkt aus dem Topf. Danacj lösche ich mit dem Weißwein ab, und zwar schlückchenweise, so dass er immer wieder verdampft. Einige Schlückchen führe ich mir mit weiteren Würfelchen zu Leibe. Ein wunderbarer Vormittag. (Morgens halb Zehn in Deutschland.)

083 105

Später gebe ich die geschälten und zerkleinerten Tomaten zu, und den Sellerie. Nun fehlt eigentlich nur meine Lieblingszutat: Zeit. Also mache ich dasselbe wie immer: Herd runterschalten, Deckel schräg stellen und alles bei kleiner Flamme ungefähr 4 Stunden schmoren lassen. Rechts oben auf dem Bild ist noch ein Stück Fleisch nicht vollkommen zerfallen….aber trotzdem nur schlecht zu erkennen.

091

Ich koche Rigatoni dazu. Die vermischen wir dann mit dem herrlichen Sugo. Das Fleisch ist butterzart, und gibt dem Ganzen  einen wunderbaren Geschmack. Schade ist nur, das meine Fleischgerichte auf Fotos fast alle gleich aussehen: umhüllt mit Rot (Tomatensoße). Herr Peppinello nagt während des Essens die Knochen ab, und sieht wie ich mit Leichenmine versuche, die einzelnen Fleischstücke zu fotografieren.

“Na und?”, sagt er, “den Geschmack kriegste eh nicht auf das Bild.” Seine Tochter will wissen, was das denn überhaupt für eine Sorte Fleisch sei, und bevor ich ihn abwürgen kann, antwortet de Herr Peppinello:

“Ochsenschwanz.”

“Wie jetzt?” Entsetztes Schweigen seitens Fräulein Peppinella. Sie legt die Gabel hin. Dann fällt bei mir der Groschen.

“Nicht was Du denkst!!” (Meine Nerven.)

17. November 2009

Nachgebacken: Apple Pie von “lamiacucina”

Bekanntermaßen backe ich ja nicht übermäßig gern. Ich stelle mich dabei immer eher dämlich an. Hinterher ärgere ich mich zusätzlich jedes Mal über den Saustall, den ich in der Küche veranstaltet habe, und das alles für so ein bisschen Süsskram. Aber: der Apple Pie von Robert hatte es mir sofort angetan.

112

Großspurig kommentierte ich seinen Post mit “habe alle Zutaten im Haus”. Dachte ich. Ich werfe also einen Blick in meine Sammelsurium-Schublade. Ich finde keine Haselnüsse. Komisch. Ich hatte kürzlich erst welche gekauft. Na gut, ich wollte die Haselnüsse eh ersetzen durch Walnüsse. Merkwürdig, ebenfalls weg. Ich wusele mich durch die Schublade. Alles mögliche ist verschwunden. Zuckerperlen…Backoblaten..futsch. Moment mal. Ich bekomme eine leise Ahnung. Einen verdacht sozusagen. Ich verstehe jetzt, was es damit auf sich hatte, als ich neulich aus einem der Kinderzimmer 52 Mal ein leise gemurmeltes “der Leib Christi” hörte. Der kleine Peppinello hat sich vermutlich alle Oblaten als Hostien verabreicht, und das Ganze wahrscheinlich hinterher mit den Zuckerperlen gekrönt. Bei den verschiedenen Nüssen habe ich eher das Fräulein Peppinella in Verdacht. Marzipanrohmasse mögen sie beide nicht. Da war wohl deren Vati am Werke….

Lange Rede, kurzer Sinn. Nein, das muss ich streichen. Die Aussage hört sich aus meinem Munde völlig unglaubwürdig an. Jedenfalls: Ich modifiziere das Rezept und nehme gehackte Mandeln und röste sie, weil keinerlei Nüsse mehr da sind. Alle anderen Zutaten und auch das Rezept kannst Du bei Robert nachlesen.

Zutaten: hier entlang

Weitere Unterschiede zu Robert`s Originalrezept sind:

  1. Mir steht keine erfahrene Konditorin zur Seite. Statt dessen hängt mir der Herr Peppinello im Nacken. Bekanntermaßen kennt er sich in der Materie aus, und gibt (vom Sofa aus) seinen Senf dazu.
  2. ich bin unglücklicherweise nicht im Besitz von 6 kleinen Backformen a 12 cm. Ich behelfe mir ergo mit einer ganz normalen Springform.

062 066

Damit ich auch bloß nichts schief gehen kann, beschließe ich, Robert`s Rezept auszudrucken. Ich markiere also den gewünschten Text, lese kurz die Mengenangaben für den Quarkteig und stelle die Sachen in der Küche bereit. fange dann schon mal an den teig zuzubereiten. Dessen Konsistenz löst schon halbwegs die Krätze bei mir aus, weil er so ist, wie ich es hasse. matschig, klebrig an den Fingern. Aber halt! Stand da nicht was von kalt stellen? Zum Glück habe ich ja das Rezept ausgedruckt. Mit ziemlich unsauberen Händen laufe ich zum Schreibtisch. der Drucker rattert noch immer. Die Textmarkierung ist nicht mehr da…..inzwischen hat mein Drucker mir 43 Seiten ausgedruckt. Alle von Robert. Ich verehre Robert’s Kochkunst und liebe seinen Blog. naja….dann lege ich die restlichen 42 Seiten, die ich für den Moment nicht brauche mal zur Seite. man kann ja nie wissen…. Das Pie-Rezept nehme ich mit in die Küche. Dort lese ich angestrengt zig Mal die Stelle mit den Apfelscheiben und den Apfelspalten. Im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel müssen die geschnitten werden. Ich habe acht Apfelhälften. ich beschließe 3 Hälften in Spalten und 5 Hälften in Scheiben zu schneiden. Und schneide, und schneide und schneide schließlich alle gleich, ich Rindvieh. Ob das was ausmacht?

067   073

 074  111

Der Teig muss 2 Stunden kalt stehen. danach lässt er sich entgegen all meiner Bedenken problemlos mit wenig Mehl ausrollen. Klappt alles prima. Ist auch nicht so schwierig, wie ich es mir vorgestellt habe.

Nach genau 35 Minuten Backzeit ist der (heißt das eigentlich der Pie oder das Pie?) fertig. Weil ich nicht, wie sonst, sofort an der Springform herumfummele, und auch nicht versuche den noch heißen Kuchen herauszunehmen, geht alles gut. Schmeckt fantastisch, danke Robert. Werde ich sicher öfter backen. Vielleicht mit etwas Vanille-Eis dazu. Habe momentan leider keines. Vanille-Eis verschwindet bei uns noch schneller als Backoblaten…

Das nächste Nachmach-Projekt für mich ist diese super-duper Panna Cotta mit Espressohaube von “fool-for-food”-Claudia. Außerdem würde ich gerne den Castagnaccio von Alex (Cuoche dell’altro mondo) nachbacken, aber: Ich finde weder in Köln, noch in Düsseldorf Kastanienmehl. ich suche weiter.

P.S.: Am späten Nachmittag ist der Rechner an. Der Bildschirm zeigt den “Äppelpei” von Robert. der kleine Peppinello guckt drauf und sagt: “Das sieht aber lecker aus”……meinen Kuchen wollte er nicht essen….wegen der Rosinen. Wieso wollte ich eigentlich Kinder haben???

16. November 2009

Ossobuco milanese – alles wegen Claudio

Er hat damit nämlich nicht nur bei mir ein wahres Haxen-Fieber ausgelöst.  Claus, Magdalena, Ellja…alle zeigen dieser Tage Beinscheiben. Und auch ich. Der Zusatz “alla milanese” ließ mir nämlich keine Ruhe. Die Lombarden sind nicht so meine Welt. Polentoni halt. Ich kenn’ mich nicht unbedingt gut aus, in der lombardischen Küche, auch wenn ich mal ein Jahr in Mailand gelebt habe. Das ist allerdings schon ziemlich lange her.
Ich ging noch zur Schule, und wohnte bei einem meiner (vielen) Onkel. Der ist ein Kalabrese mit sizilianischen Wurzeln, genau wie seine Frau. Ein “Terrone” (Erdling). So titulieren die Polentoni nämlich die Süditaliener, wobei “Terrone” wenig schmeichelhaft gemeint ist.
Es gab bei Onkel Alfio jeden Tag einfache kalabresische Hausmannskost, denn die Familie war groß. Zum Abendessen fanden sich fast immer um die 20 Personen ein. Meine acht Kusinen und Cousins, ihre Ehepartner, sowie deren äußerst verzogenen Kinder. Gegessen wurde in der Küche, im Esszimmer und am hochgekurbelten Couchtisch (da saß die unausstehliche Brut meiner Vettern mitsamt Großtante ‘Nzina, auch “Zia Nonna” genannt). Im Normalfall sind Wohn- und Esszimmer in Italien eher Heilige Hallen, die nur zu hohen Feiertagen, oder zum Putzen betreten werden dürfen. Das tägliche Leben spielt sich in der Küche ab. Da wir dort aber nicht alle reinpassten, belagerte die ganze Sippe allabendlich die gute Stube.

Ossobuco alla milanese 091
Ich sollte jetzt irgendwie den Übergang zum Ossobuco alla milanese finden, dauert aber glaube ich noch ein paar Zeilen.

Wie Du Dir wahrscheinlich denken kannst, war bei dieser Anzahl Menschen der Geräuschpegel hoch. Der Fernseher war immer an. Lautstärke auf volle Pulle. Immer. Es wurde geschrien (meist mit vollem Mund), um die letzte Scheibe Brot gestritten und ausgelost wer an diesem Abend spülen und abtrocken musste. Eine unbeliebte Aufgabe die wir Mädchen uns jeweils zu zweit teilten. Jeder von uns benutzte durchschnittlich pro Mahlzeit drei Teller. Hinzu kamen Gläser,Töpfe, Pfannen, eine überdimensionalen Espresso-Schraubkanne, Tassen und so weiter. Eine Spülmaschine gab es nicht. Zeitgleich mit dem Spülen musste auch allabendlich die Waschmaschine angeschmissen werden, denn Tante Nicolina bestand auf Tafeltüchern und Stoffservietten. Papierservietten hielt sie für verschwenderisch. Eigentlich hätte sie sich die Stoffservietten sparen können, denn fast alle wischten sich während des Essens die Schnuten am Tischtuch ab. Zigarettenstummel wurden nicht im Aschenbecher, sondern im leeren Teller ausgedrückt.

(Guck’ nicht so komisch, dass war nicht nur bei meiner Familie so. Ich hab sowas schon öfter bei Südländern gesehen. War für mich anfangs auch eher gewöhnungsbedürftig, dachte ich doch immer an meine deutsche Mamma, die wahrscheinlich einen Infarkt bekommen hätte, würde es jemals jemand gewagt haben, sich den Mund an ihren Damast-Tafeltüchern abzuputzen…)

Die Herren der Familie waren natürlich von sämtlichen Spül- und Aufräumarbeiten ausgenommen. Sie spielten nach dem Essen Karten. Scopa oder Briscola oder Rommé. Oder sie diskutierten über die Berichterstattung einzelner Fußballspiele in der “Gazzetta dello Sport”. Ein gefährliches Terrain, denn die Familie spaltete sich in zwei Lager. Die einen waren“Interisti” (Inter-Mailand-Fans), die anderen Anhänger des AC Milan. Es wurde fröhlich weiter geschrien. Die kleineren Kindern zankten sich um die Fernbedienung und heulten weil jeder eine andere Zeichentrickserie sehen wollte. (In Italien gab es zu jener Zeit schon unübersichtlich viele Fernsehsender, in Deutschland gab es nur drei.) Wir Mädels verdünnisierten uns zunächst aufs Klo, um dort heimlich zu rauchen. Dann gingen wir den Abwasch an, und hörten dabei Radio. Auch auf Lautstärke volle Pulle. Der populärste Sänger dieser Zeit hieß Claudio Baglioni und wir beteten ihn an.

Jetzt kommt bald der Ossobuco alla milanese…

Ich besuchte dort in Mailand eine Hotelfachschule. Viele meiner Mitschüler/innen waren “Terroni”, oder zumindest Abkömmlinge davon. Aber es gab auch einige “echte” Mailänder. Echte “Milanesi” konnten Dir ihren Stammbaum bis in die Epoche des Ludovico Sforza belegen. “Ambrogio” oder “Galeazzi” waren typisch lombardische Namen. Auch meine Schulfreundin Silvia war so eine echte Mailänderin. Üblerweise war sie verliebt in einen Typen namens Vincenzo, mit unverkennbar sizilianischen Wurzeln. Ihre Mutter durfte das nicht wissen, sie hätte das arme Mädchen enterbt. “Tutto, ma un terrone no” - “Alles, nur keinen Erdling”, sagte sie immer. Ich hatte zwar auch “terronische” Gene in mir, bildete aber dadurch das ich halb deutsch war, für Silvia’s Mutter eine Ausnahme. So kam ich öfter in den Genuss, bei Silvia zum Essen eingeladen zu sein. Silvia war ein Einzelkind. Ihr Vater war abends oft noch “in ufficio” (im Büro) und kam nicht zum Essen heim. So saßen wir dann bei Familie Galeazzi am Tisch.
Zu dritt. Kein Fernseher lief. Die Stille war ohrenbetäubend. Das Essen ganz anders als bei Onkel und Tante. Bei Silvia aß ich zum ersten Mal “Ossobuco alla milanese”, und machte höflich Konversation, immer bedacht darauf, möglichst einen feinen Mailänder Akzent in mein stockendes Italienisch einzubauen.
Ich habe Signora Galeazzi seinerzeit natürlich nicht nach dem Rezept gefragt. Ich war sechzehn Jahre alt, und interessierte mich für Fulvio (dessen Mutter Schneiderin bei Armani war, und er mir alleine schon deswegen anbetungswürdig erschien). Kochrezepte waren mir recht egal. Damals.
So muss ich nun heute, genau wie Claudio erst einmal Recherchen anstellen, in Sachen Ossobuco alla milanese. Ich klicke mich hier und da durchs Netz, schaue in meiner (eher übersichtlichen Kochbuchsammlung) nach. Normalerweise bereite ich Ossobuco anders zu. Nämlich im Ofen gebacken, wie hier schon mal von mir gepostet. Hm. Ich werde nervös, entscheide mich aber schließlich für eine Mischung aus mehreren gefundenen Rezepten.

Zutaten für vier Peppinellis

  • Karotten, Sellerie, verschiedene Kräuter haben im Ossobuco alla milanese nichts zu suchen
  • 1,5 kg Kalbshaxe in Scheiben gehackt
  • 1 Zwiebel
  • ungefähr 100g Butter
  • etwas Mehl
  • 1 Glas Weißwein
  • 1 kleine Dose Pelati
  • Salz, Pfeffer

für die Gremolata: Petersilie, 1 Knoblauchzehe, abgeriebene Schale von einer halben Zitrone

für den Risotto alla milanese:

  • 1 Zwiebel
  • etwas Kalbs- oder Rindermark
  • 1 Glas Weißwein
  • 1l Rinderbrühe (entwendet bei Herrn Peppinello)
  • 1 kleine Dose Safranfäden (2 Briefchen)
  • 500g Arborio-Reis
  • Parmesankäse

 Ossobuco alla milanese 060 Ossobuco alla milanese 071

Zuerst wälze ich das Fleisch in Mehl, und zerlasse die Butter im Bräter. das kommt mir schon spanisch mailändisch vor, da ich sonst nie mit Butter brate. Olivenöl oder Butterschmalz sind so meine Dinger. Butter nehme ich fast nie. Ich brate das Fleisch von allen Seiten kräftig an (leider habe ich kein Küchengarn zum Binden, es wird später zerfallen…) Dann gebe ich die kleingehackte Zwiebel hinzu. Nach und nach gieße ich Wein an und lasse ihn verdampfen.
Die geschälten Tomaten passiere ich durch ein Sieb und gebe sie zum Fleisch. Nun kommt mein Lieblingsteil bei jeder Art der Fleischzubereitung: Sparsam salzen und pfeffern, Deckel aufsetzten, Herd auf klein stellen und für ungefähr 2 Stunden weiter nichts mehr machen, außer ab und zu mal vorsichtig wenden. Für die Gremolata (die meine Kinder nicht mögen) hacke ich die Petersilie, mische sie mit der abgeriebenen Zitronenschale und der kleingeschnittenen Knoblauchzehe. Die Gremolata gebe ich erst kurz vor Ende der Garzeit auf die Beinscheiben, und lasse sie ein paar Minuten bei schwacher Hitze ziehen.

Ossobuco alla milanese 086  Ossobuco alla milanese 057

Hier siehst Du schon mal die unübersichtlich großen Mengen an Safran, mit denen ich gedenke, meine Kinder zu vergiften, heimtückisch dem Risotto beigemischt. Sie mögen nämlich keinen Safran, wobei sie den Safran mit Curry verwechseln. Curry mögen sie nämlich wirklich nicht. Ich grüble einige Minuten darüber nach, ob ich Carnaroli oder Arborio-Reis nehmen soll. Gucke die Körner an. der Carnaroli ist etwas schlanker. Ich nehme Arborio.

 Ossobuco alla milanese 075 Ossobuco alla milanese 082

Ich hacke die Zwiebel und gebe sie mit dem Kalbsmark und der Butter in eine Kasserolle. Die Zwiebel dünste ich weich. Sie darf nicht bräunen. Ab und an Gieße ich wenig Wein an und lasse ihn verdampfen. Dann gebe ich den Reis hinzu und lasse ihn glasig rösten. Unter häufigem Rühren gebe ich wenig Fleischbrühe hinzu. Die Brühe habe ich dem Herrn Peppinello geklaut. Er füllt sie in Flaschen ab, und versteckt sie im Kühlhaus. Ich finde sie immer. Er regt sich entsprechend auf, wenn nix mehr da ist, und ich den Diebstahl leugne. nach 10 Minuten gebe ich die Safranfäden zum Reis. Dann ziehe ich die restliche Butter unter, reibe den Parmesan hinein und lasse alles noch 5 Minuten ziehen. Fertig.
Die kleinen Peppinellis überlassen bei Tisch ihren Eltern großzügig das Kalbsmark, welches sie als “Glibberkotze” oder “Entengrütze” bezeichnen.

Ossobuco alla milanese 111
Köstlich, sag’ ich Dir.
So Claudio. Und was kochst Du als nächstes, um mich in Bedrängnis zu bringen? Ich hasse es, Kochbücher zu wälzen, wenn ich nicht weiß, wie etwas zubereitet wird. Sowas kann zur Obsession werden. Zwanghaft.

11. November 2009

Internetbekanntschaften…oder: Unvollendete Sinfonien der Frau P. aus N.

Heute hatte ich Besuch. Barbara war da.

Als ich vorher mit ihr telefoniere steht der kleine Peppinello neben mir. Er fragt: “Wer war das?” Wahrscheinlich, weil ich ihm nicht den Hörer übergebe, denn in 104 Prozent aller Fälle ist seine Nonna am Telefon, und will mit ihm sprechen. “Barbara war das”, antworte ich also. Das sagt ihm nichts. Ich füge hinzu: “Barbara aus dem Internet.” "Er kriegt große Augen. “Und die kommt zu uns?”, will er wissen. Dabei heftet er seine Augen auf meinen Computer-Bildschirm. Vermutlich glaubt er, dass “Barbara-aus-dem-Internet” ihm am nächsten Tag aus dem Monitor entgegenspringt.

Als sie dann tatsächlich und leibhaftig ankommt, ist er noch in der Schule. (Später, als er daheim ist, benimmt er sich wie der letzte Hänger. Das macht er vorzugsweise, wenn ich denke, er soll ein braves Kind sein.)

Nun, Besuch aus dem Internet. Was koche ich? Ich gehe schon ziemlich früh aus dem Haus, um einzukaufen. Der Herr Peppinello verabschiedet mich mit den Worten: “Mach bloß nicht so ‘ne Show….” Ich bin schon fast draußen. “Wie jetzt, Show? Was meinst Du?”, frage ich, bereits im Hauseingang stehend. Giftig. “Du weißt genau, was ich meine.” Natürlich weiß ich genau, was er meint. Ich will es aber nicht wissen. “Was für ‘ne Show, erklär’ mal…” Ich liebe solche Gespräche, morgens um kurz nach Acht.

“Koch was normales”, sagt er, “was wir immer essen. Ich hasse es, wenn Du so ’nen Wind veranstaltest und Sachen zusammenmurkst, die Du sonst nie kochst. Mach was unstressiges. Nix ausgeflipptes.” Das fuchst mich. Schließlich kocht er ja nicht. Ich bin stinkig, denn vor meinem geistigen Auge, waren schon einige Teller mit viel Wind und Show vorbeigezogen. Aber: Er hat recht. Ich hasse es, dass ich das schreibe. Ich mag nicht, wenn er recht hat, und ich das nicht einsehen will. In der Vergangenheit gab es nämlich vieles, was ich gekocht und/oder gebacken habe, um es dann, aus diversen Motiven in die Kategorie “unvollendete Sinfonien” einzuordnen. Willst Du mal sehen? Hier:

070 022

246 062

Ostern 2009 120 466

071 099

 081

  1. Blätterteig-Apfelnester, Kommentar von Schwager Franco, nach dem Probieren: “e che cazzo é? L’ostia?” (Ist das ne Hostie mit Apfel?)
  2. im Ofen geplatzter Apfelstrudel, nach stundenlangem Strudelteig ziehen
  3. Brasato al vino rosso, schmackhaft und zart aber nicht fotogen, weil nicht mehr in ordentliche Scheiben zu schneiden, außerdem Streit mit Herrn Peppinello über die Beilagen
  4. Käsekuchen zu früh aus der Form genommen
  5. Torta di Mandorle dito
  6. Pavlova mit ohne Erdbeeren, zerbrochen beim Transport vom Ofen auf die Arbeitsfläche
  7. hausgemachte Ravioli, Streit mit Herrn Peppinello, vor Wut entsorgt
  8. monströse Rosmarin-Scones mit zu viel Backpulver
  9. Vitello al latte, siehe Punkt eins in dieser Reihe…

Ich könnte das unendlich fortsetzen. ich habe noch etliche von solchen Bildern auf Lager. Murks über Murks. Wütend und in Tränen aufgelöst in den Müll geschmissen, gefolgt von minutenlangen Ehe- und Existenzkrisen. (Kann man beim Kochen dem Burn-out-Syndrom erliegen?) Yes, i can…

Ich beschließe, diesmal echt keinen Wind zu machen. Barbara kommt mittags. Ich weiß nicht wieso ich mir vorgestellt habe, sie sähe walkürenhaft aus. Eine riesige Hünin, mit breiten Schultern. Neee. Vor mir steht eine zierliche Frau, fast einen Kopf kleiner als ich, mit wunderschönen blauen Augen, und einem mega-ansteckenden Lachen. Und wir essen. Ohne Show. Wenige Vorspeisen, ein bisschen Mozzarella, Maccheroni al sugo e polpettine, Salami, Käse und Kaffee. Fertig. Völlig “unstressig”. Bis auf den kleinen Peppinello, der schon vor dem essen anfängt zu heulen. Schlechte Laune hat. Auf wen kommt das Kind nur?

Während ich das hier schreibe, trinke ich einen schönen Frankenwein. Sehr nett, die Barbara-aus-dem-Internet jetzt persönlich zu kennen. (Sie kam übrigens mit dem Auto. Sie sprang nicht aus meinem Monitor.)

1. November 2009

Torrone dei morti – zum Henker mit Halloween

Warum? Weil mir dieses Getue um Halloween richtig gegen den Strich geht. Es stinkt mir. Nicht nur, dass ein Großteil der Bevölkerung Deutschlands schon seit längerer Zeit zu blöd ist, die eigene Sprache zu sprechen. Überall Anglizismen. Man ist “straight” oder “tough”, “strange” oder einfach nur: behämmert. “Outsourcen” sollte man diesen ganzen Schwachsinn. Inklusive Halloween, welches ja noch nicht mal amerikanisch ist, sondern keltisch. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass nicht alle, die in den letzten Tagen Zierkürbisse und Gruselmasken zuhauf eingekauft haben, das wissen. Bei Peppinellis gibt es kein Halloween. Wenn die kleinen Peppinellis mit bunten Lichtern durch die Straßen laufen, und für Süßigkeiten an fremder Leute Türen bimmlen wollen, dann müssen sie bis zum Martinstag warten. Wenn sie sich verkleiden wollen, dann erlaube ich ihnen das an Karneval.

Gestern war bei den Evangelischen (einer hierzulande verbreiteten Sekte) Reformationstag. Bei uns gläubigen Christen ist heute Allerheiligen. Punkt. Halloween. In Italien heißt der 1. November “Ognissanti”. Darauf folgt, am 2. November “la festa dei morti”. An diesen Tagen sieht es bei meiner Schwiegermutter aus wie in einem Mausoleum. Überall stehen Kerzen, und davor die teilweise schon recht vergilbten Fotos von den Verstorbenen der Familie. “Inizia la stagione dei morti”, sagt sie. Die tote Jahreszeit beginnt (und endet am 1.Advent). Oma Peppinella hält sich strikt an alle alten Bräuche, So werden vor dem 1.November alle Decken, Kissen, Bettücher, Gardinen usw. die in Gebrauch sind gewaschen, egal ob nötig, oder nicht.

In ihrer Heimat wurde an diesem Mittag früher nicht richtig gekocht, erzählt sie, denn man musste um elf zur Messe und auf den Friedhof. Am Nachmittag bekamen die jungen Damen, die schon “fidanzate in casa” (verlobt) waren, Besuch von ihren Zukünftigen. Natürlich war immer die ganze Familie dabei. Der Schicklichkeit halber. Der junge Neapolitaner überbrachte am 2. November seiner Angebeteten eine Süßigkeit: “Torrone dei morti”. Und das bereite ich heute vor. Wir essen bei meiner Schwiegermutter. Ich habe versprochen Torrone mitzubringen. Und Trippa für den Abend, aber das gehört jetzt nicht hierhin.

Zutaten:

  • 200g dunkle Blockschokolade
  • 400g weiße Blockschokolade
  • 200g Nougat
  • 200g geschälte Haselnüsse

 Torrone dei morti 064 Torrone dei morti 068

Die bittere Schokolade löse ich im Wasserbad auf. Dann pinsele ich eine Kastenform damit einem Teil davon ein –Wände und Boden- und stelle die Form einige Minuten in den Kühlschrank. Das wiederhole ich 3 bis vier Mal. Das ergibt die “Hülle” für meine Nougatfüllung. Also, weiter. Kastenform für das Erste in den Kühlschrank.

 Torrone dei morti 061 Torrone dei morti 072

Als nächstes löse ich die weiße Schokolade und den Nougat im Wasserbad auf und rühre die Nüsse unter. Es riecht überall im Haus nach Schokolade. das lockt die kleinen Peppinellis an., welche mir ab diesem Zeitpunkt im Weh stehen, und immer die Finger in die Schokolade tauchen wollen. Dann fangen sie an die Haselnüsse zu stibitzen. “Flossen weg,” kreische ich. (Hinter mir fuhrwerkt der Herr Peppinello an der Kitchen Aid rum. Nein. Er kocht nicht. Er versucht, den Knethaken zu lösen, den ich irgendwie verkeilt habe. “Wie man das schafft, das musst Du mir mal erklären”, brummt er immer wieder. Wir streiten schon den ganzen Morgen deswegen.) Ich versuche alle Peppinellis auszublenden, und arbeite weiter.

 Torrone dei morti 074 Torrone dei morti 077

Ich hole die Form mit der mittlerweile festgewordenen Blockschokolade raus. Dann füge ich die Nougat-Schokoladenmasse mit den Haselnüssen hinzu. Fertig. Das Ganze muss nun noch mal ein paar Stunden in den Kühlschrank, bevor es aufgeschnitten werden kann. Ich bereite in der Zwischenzeit die Trippa alla fiorentina vor. Der Herr Peppinello hat den Kampf gegen den Knethaken immer noch nicht gewonnen und flucht. Wir reden kein Wort miteinander. Genauer gesagt 3 Stunden nicht. Er hat den Knethaken immer noch nicht gelöst. ich habe zwischenzeitlich im Internet gelesen, dass das passieren kann. Nicht zwingenderweise, kann aber. Die Maschine hat noch Garantie, morgen bringe ich sie zum Händler. mal sehen. Zurück zum Torrone. Ich muss nun den Herrn Peppinello gezwungenermaßen ansprechen, denn ich traue mich nicht, den Torrone aus der Form zu lösen. Ich habe Angst, dass er mir zerbricht. Mein Bäcker kann sowas besser als ich. Und er tut es dann auch. Schweigend und böse dreinblickend.

Torrone dei morti 079

Später essen wir es bei meiner Schwiegermutter. Vorher serviert sie uns aber erst mal das Mittagessen. Der Herr Peppinello greift unter dem Tisch nach meiner Hand. Ich will zunächst die beleidigte Primadonna spielen, entscheide mich dann aber anders.

Als wir den Torrone aufschneiden spricht meine Schwiegermutter von früher.(Sie tut das gerne, ich auch). Agostino, so heißt mein Schwiegervater, und sie waren verlobt, und er machte den besagten Anstandsbesuch an Allerheiligen. Nachdem Maria das Päckchen mit dem Torrone auf dem Schoß hielt, züchtig zwischen ihren Brüdern sitzend, da stellte sich dieser Lümmel hinter sie, hob ihr Kinn an, und küsste sie mitten auf den Mund. Während sie das heute erzählt, schaut sie ihn grimmig an und schimpft: “Ma per che cosa mi hai pigliato?” (Für was hast du mich eigentlich gehalten?)…Oh Mann, nach fast 50 Jahren Ehe. Ich summe: “Femmene….tu si ‘na malafemmene” und sie schlägt mit einem Geschirrtuch nach mir.

Torrone dei morti 081

Ich liebe sie. Weil sie so ist. So herrlich von gestern. Sie kennt kein Halloween. Und keine Anglizismen.